Heut' Abend gehn wir morgen erst ins Bett
Express-Historie von A. Behmel

Ein Kultur-Mekka ohnegleichen war Berlin in den zwanziger Jahren, nicht allein, was die hohe Kultur betroffen gemacht hat, Oper mit viel Harmonie undsoweiter, sondern auch das allgemeine, das Vergnügen fürs Volk. Die Friedrichstraße hat es mit dem Broadway in New York aufnehmen können: Bühnen, Theater und Varietée auf Schritt und Auftritt...

Während großartige Tanzorchester wie das vom Barnabas von Géczy im Hotel Esplanade oder das vom Marek Weber im Adlon ihre Hits für Asta Nielsen Revue passieren ließen, gab es an anderen Ecken preiswertere Unterhaltung wie die Wildwestbar am Potsdamer Platz, und, ums Eck, das berühmte Waschmädelballet, oder den Luna Park in Halensee.

Bei einer Einwohnerzahl von 3,8 Mio. Menschen ist das Vergnügen ein wirtschaftlicher Faktor erster Kategorie, vor allem, wenn die Bevölkerung so jung ist: ein Drittel der Berliner war unter 30 Jahre alt, der Rest nur geringfügig älter; nicht alle hatten Geld: Am Ku'damm und am Tauentzien ist der olle Carl Zuckmayer Kokain verhökern gegangen, weil er pleite war, und fast wäre er erwischt worden, aber denn ist er doch lieber Autor von Bestsellern geworden. Tja dann kam die Geldwirtschaftskrise, dann die Nazis, dann der Krieg, und dann die Kommunisten - herbe Schläge fürs Amüsemang! und davon hat sich unser liebes Berlin bis heute nicht erholt. Apropolis Metropolis: Josephine Baker mit ihren Bananen am Hintern, Claire Waldoff und die Comedian Harmonists: Leider war das Ganze zum Scheitern veruteilt, weil wir alle miteinander schon hoch verschuldet waren, als das Backpfeifengesicht von Goebbels als SuperGau-Leiter mit seinen Haken aufgekreuzt ist.

An dieser Stelle müssen wir eine Persönlichkeit lobend erwähnen: den Berliner Polizeipräsidenten Dr. Bernhard Weiß, der viel unternommen hat, um den Nazis das Räuberhandwerk zu legen. Über 60 Prozesse hat er allein gegen Goebbels geführt - und alle gewonnen. Viel hat es leider nicht gebracht, 1933 mußte er ins Exil gehen, wie so viele andere auch. Übrigens, Polizei und Verbrecher: das ist auch die Zeit von den Berliner Ringverreinen gewesen, eine Art Gewerkschaften für Ganoven, mit Hinterbliebenenrente. Wer da aufgenommen werden wollte, mußte vorbestraft sein und mindestens einen anständigen und bescholtenen kriminellen Bürgen aufweisen können; nicht nur in Chicago, auch in Berlin gab es Mafia und Betrüger in großem Stil, wie Max Klante mit seinen wahrhaft unterwältigenden Ergebnissen beim Rennsport... Daß das alles nächtlicherweise auch funktionierte, dafür hat die AEG gesorgt, mit den Glühbirnen und warmen Leuchtern.

Fortsetzung folgt....



Quelle: a. behmel, 2004


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