Foto: Rainer Fedke


Leise rieselt's in' Klee...
Express-Historie von A. Behmel

1848 glich Berlin einem Wespennest, wer rinpickste wurde glattweg ausgestochen. Es bestand Einigkeit darüber, Recht und Freiheit verteidigen zu müssen; aber das hat nicht richtig geklappt und die sogenannte "Märzrevolution" stellte sich trotz Barrikaden am Oranienburger Tor als Iden der Märzrevolution sondergleichen heraus: Am Ende gabs nämlich immernoch keine demokratische Verfassung. Also mußte man sich veruntertanen und man hat angefangen zu arbeeten, zu schuften und zu malochen, kurz, man hatte zu tun: die Industrialisierung kam mit Volldampf voraus heran. Unser Berlin ist dabei über sich selbst grenzenlos hinausgewachsen. Zum Beispiel bei den Borsigwerken, wo die Lokomotiven gebaut worden sind, an der oberen Chausseestraße, wo heute die Gedenktafel steht. Eisenbahn war einfach am Zuge: Gleich 5 Kopfbahnhöfe haben wir uns geleistet, einen für jede Himmelsrichtung, von denen steht der Hamburger Bahnhof heute wieder museumsreif da und der Anhalter Bahnhof hält immerhin noch die Fassade aufrecht. Mit der Vollaufbeschäftigung kamen auch die berühmten Berliner Mietskasernen auf, da sollten die Arbeiter klasse drin wohnen, was eine neue Gesellschaftsschicht war. Deswegen wurde der Wedding, Gesundbrunnen und Moabit im Jahre 1861 in unsre Stadt hineingemeindet und weil es nicht genug war, ein Teil Schöneberg und Tiergarten mit oben drauf.

Der zentrale Kopp von dem ganzen Wachstum ist der Kopp von einem James Hobrecht gewesen, unser Polizeipräsident a.D. Der hat die typische Gestalt unserer Berliner Mietskasernen polizeilich festgelegt: 4 bis 6 Stockwerke hoch, Innenhof mit mindestens fünf mal fünf Meter Raum, damit die Feuerwehr durchkann und die Straße runter eine einzige Fluchtlinie. Außerdem hatte der Hobrecht nen guten Riecher für die Kanalisation: Druckleitungen fürs Abwasser wurden gebaut; und ab in die Rieselfelder mit der ganzen Sauce Berlinese... Kanalisation ist viel wichtiger als alles andere in soner großen Stadt. Das wußte schon der olle Hobrecht und hat mit den schlimmen Seuchen, die uns hier in Berlin dauernd heimgesucht hatten Schluß gemacht. Hübsch hässlich wars in den neuen Häusern mit ihren Hinterhöfn trotzdem: manchmal lagen bis zu fünfe davon hintereinander und je tiefer man reinkam, desto dunkler wurde die Sache. Auch wenn das Abwasser zehnmal weggedrückt wurde, ohne Sonne und wenns feucht ist, bleibt keiner lange gesund; Tuberkulose war die beliebteste Todesursache. In der Ackerstraße stand "Meyer's Hof", was die umfangreichste Mistkaserne von ganz Berlin war. Mehr als tausend Menschen übernächtigten da drinne, in einem einzigen minderwertigen Komplex.

Fortsetzung folgt....



Quelle: a. behmel, 2004


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