Mit Berliner Schnauze à la frangsaise
Express-Historie von A. Behmel
In Frankreich herrschte Sonnenkönig Ludwig, von dem keiner so genau weiß, warum der eigentlich
so hieß; bei Licht betrachtet war das ein eher finsterer Geselle und kein Sonnenschein.
Ludwig hat seine protestantischen Mitbürger schikaniert, drangsaliert und in die Bredullje
gebracht, wo er nur konnte mit seiner Karnallje; daher sindse abgehauen und zu uns gekommen,
da wir hier einen Regierungschef hatten, der partu Untertanen gesucht hat. Mit seinem Edikt
von Potsdam hat der Große Kurfürst eine Annonce aufgegeben, und da stand sinngemäß drin: "Sie
sind arbeitslosa Protestant mit juta Ausbildunk und fühln sich in Ihrm jetzigen Beruf
unzufriedn bzw. untadrückt. Denn kommse doch nach Brandburg zum Bewerbunksjespräch.
Einstellunk garantiert, 10 Jahre steuafrei, Untakunft inklusive."
Niederländer jeder Kulör, Juden aus Wien, Schweizer Calvinisten, alle kamen, aber die größte
Gruppe waren reformierte Franzosen, genannnt Hugenotten. Insgesamt wohl rund 20.000, vielleicht
sogar mehr. Das hat im Fall von Berlin bongfortionös dazu geführt, daß etwa jeder Vierte von
sich sagen konnte "bon, isch bin ein Berliner Franzos" Bald schon hat er nur noch gesagt,
"bong, ick bin ein Berlina" und das war auch gut so. Mit ihren Kenntnissen haben die
Hugenotten unser Berlin bereichert, denn auf einmal konnten wir Kunsthandwerk fabrizieren,
Tabak kultiviern, todschicke Stoffe produzieren und Luxusartikel exportieren, aus der Lamäng
Jold und Silba schmieden und auch Französisch parliern. Wer sich dafür interessiert, der
kann den Dorotheenstädtischen Friedhof visitieren und die ganz passable Gedenktafel
inspiziern; da stehen die Namen von unseren Mitbürgern drauf. Die habens teilweise
weit gebracht; die Mutter der beiden Humboldts war Hugenottin, Fontane trägt einen
französischen Namen, um nur mal zwei, pardon drei zu nennen.
Wir sollten auch den Spargel nicht vergessen, denn ohne die Hugenotten hätten wir den
vermutlich noch lange nicht gekriegt, ebensowenig die Berliner Weiße, nicht die Bulette,
den Tabak, das Weißbrot für unsere Schrippen... Nach hundert Jahren waren die deutschen
Berliner und die französischen Berliner nur noch am Familiennamen zu unterscheiden, ein
Beispiel für gut gelungene Integration von Ausländern. Auch unsre Berliner Schnauze hat
direktemang profitiert. Denn die gewieften Franzosen sind auch nicht auf den Mund gefallen.
In Mayers Konservationsmexiko von 1885 steht allen Ernstes drin, daß die Berliner zu 37%
germanisch, zu 24% slawisch und zu 39% romanisch sind. Das würde unseren Charakter erklären:
leichtlebig, heißblütig, voll Esprit, eitel, rauflustig und bissjen aufgeblasen.
Fortsetzung folgt....
Quelle: a. behmel, 2004
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